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Fluchtwelle reißt nicht ab Tausend DDR-Bürger frei?
(Von Tibor Fényi und Peter Martos)
BUDAPEST/WIEN
Die größte Massenflucht seit dem Bau der Berliner Mauer
im Jahr 1961 hat westlich des Neusiedler Sees wahrscheinlich tausend DDR-Bürgern
die Freiheit beschert. Nach Agenturangaben wurden bis Sonntagmittag 661
"Neo-Deutsche" aus Wien in die verschiedenen bundesdeutschen
Lager transportiert: in zahlreichen Orten des Burgenlandes hielten sich
aber noch am Nachmittag Gruppen von Flüchtlingen auf Gerüchte,
wonach die Massenflucht mit etwa 170 Personen begonnen hätte, die
aus der Bonner Mission in Budapest an die Grenze gebracht worden wären,
wurden vorerst nicht bestätigt. Der Ablauf ind das Verhalten der ungarischen
Grenzer hatten Augenzeugen vermuten lassen, die Massenflucht sei organisiert
worden. Noch bevor die erste Gruppe von DDR-Bürgern bei einem für
diesen Tag geöffneten Grenzübergang zwischen Sopron und St. Margarethen
im Burgenland durchbrach, hatten auf österreichischer Seite Busse
gewartet. Die bundesdeutsche Botschaft in Budapest gab am Sonntag keine
Auskunft, wie viele DDR-Bürger noch in der Mission seien. Die aufsehenerregende
Fluchtwelle und starke Regenfälle haben des "Paneuropäische
Picknick" in der ehemaligen Sperrzone nördlich von Sopron gleichsam
weggeschwemmt: Hunderte Teilnehmer hasteten zum Grenzübergang, um
den in den nahen Wäldern wartenden DDR-Bürgern im Gedränge
den Weg in die Freiheit zu ermöglichen. Das Fest, das auf eine Anregung
des Europaparlamentariers Otto von Habsburg zurückging, lief ohne
Ansprachen ab. Die Massenflucht fand am Sonntag auch bei Lockenhaus im
Mittelburgenland eine Fortsetzung. Dort gelangten allerdings nur einige
Dutzend DDR-Bürger, die sich unter ungarische und österreichische
Teilnehmer eines Grenztreffens gemischt hatten, durch die Kontrollen. Auch
aus anderen Orten des Burgenlandes wurde am Wochenende ein Anwachsen der
Flüchtlingszahlen gemeldet. Ein Sprecher des Bonner Auswärtigen
Amtes würdigte die Mithilfe der österreichischen Behörden
bei Verorgung und Abtransport der DDR-Bürger als "prächtiges
Beispiel guter Nachbarschaft".
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ISE, Sopron |