Statement des Botschafters der Republik Österreich, Botschafter Dr. Hannes Porias am 19. August 1997
Zu Beginn des heutigen Festaktes in diesem bemerkenswerten Rahmen des Höhlentheaters konnten wir Ludwig van Beethovens "Egmont-Ouvertüre" hören. Es ist nicht schwierig, zwischen diesem ausgezeichneten Werk der Musikkunst und dem Anlaß unseres Hierseins eine Verbindungslinie zu ziehen: Der flandrische Graf war ein mutiger Streiter die Freiheit und Unabhängigkeit seiner niederländischen Heimat war - eine Aufgabe, die sein Leben erfüllte. Auch die jahrzehntelange Teilung Europas nach dem 2. Weltkrieg beruhte nicht zuletzt auf einem System einer Art "geistiger" Besatzung - auf einem System, das die freie Rede, das freie Schreiben, ja sogar das freie Denken oft unmöglich machte. Das unterwartete geschah dennoch: Ein vermeintlich vollkommen abgesichertes System zerfiel 1989 wie ein Kartenhaus, der Gedanke der Freiheit, eines demokratischen Europas setzte sich durch. Der sehnliche Wunsch zahlloser Bürger der damaligen Deutschen Demokratischen Republik nach der freien Welt war der Auslöser einer Entwicklung, die Völkern Zentral- und Osteuropas ein neues Leben in rechtsstaatlicher Demokratie ermöglichen sollte. Als Vertreter der Republik Österreich in Ungarn freut es mich ganz besonders, daß es gerade die Grenze zwischen unseren beiden Ländern war, wo der erste Riß im "Eisernen Vorhang" stattfand. Wer kennt nicht das berühmte Photo der Außenminister Gyula Horn und Alois Mock mit der Eisenschere, als sie gerade den Zaun durchtrennten? Wer hat nicht die Fernsehbilder in Erinnerung, die tausende Deutsche zeigten, die aus Ungarn kommend über Österreich den Weg in ihre neue Heimat nahmen? Sehr viel ist in den 8 Jahren seither geschehen. Der europäische Integrationsprozeß schreitet trotz aller Probleme und Schwierigkeiten fort. Mit der Osterweiterung der Europäischen Union kommen wir unserem gemeinsamen Ziel eines freien, stabilen und wirtschaftlich erfolgreichen Europa wesentlich näher. In diesem Sinne stellt die positive Stellungnahme der Europäischen Kommission zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Ungarn nicht nur für Ihr Land, sondern auch für ganz Europa einen großen Erfolg dar. Sie bringt sehr deutlich die Anerkennung für die Leistungen des ungarischen Volkes während der vergangenen Jahre zum Ausdruck. Ich bin überzeugt, daß die Probleme, die noch vor uns liegen, mit dem gleichen Engagement und im Geiste der Zusammenarbeit gelöst werden können, und daß unser weiterer gemeinsamer Weg, dessen erste Etappe so sichtbar hier an der ungarisch-österreichischen Grenze eingeleitet wurde, ein erfolgreicher sein wird. Meine Damen und Herren, Teil von Beethovens 9. Symphonie, die wir später hören werden, ist die Vertonung von Friedrich von Schillers "Ode an die Freude". Wie wir alle wissen, ist sie zur Hymne Europas geworden, und wenn sie hier und heute aufgeführt wird, so ist dies ein ganz besonderes Symbol für die Richtigkeit der Entscheidung der damaligen ungarischen Regierung, die Grenze zu öffnen. Es war, im wahrsten Sinne des Wortes, eine "europäische" Entscheidung.
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