SALZBURGER NACHRICHTEN |
Ungarn wiesen Flüchtlingen den Weg DDR
verschwieg
bisher das Ereignis
Bonner Botschaft in Wien improvisierte "Vorher
nichts gewußt" Europa-Picknicks
soll ständige Einrichtung werden
WIEN, BUDAPEST, BONN (SN, MTI, dpa, APA).
Die Bonner Botschaft in Wien dementierte Sonntag, von der Massenflucht
der DDR-Bürger aus Ungarn bei einem Paneuropa-Picknick in der Näjhe
von Ödenburg vorher gewußt zu haben. Es standen zwar hinter
der Grenze Autobusse bereit, auch für den Weitertransport von Wien,
mit einem Sonderzug und mit Autobussen nach Giessen und in das neue Auffanglager
Schöppingen bei Münster am Samstag und Sonntag war vorgesorgt,
diese Maßnahmen seien "spontan" getroffen worden, hieß
es in der Bonner Botschaft. Abgesehen von den rund 500 DDR-Bürgern,
die bei dem Europa-Picknick über die Grenze kamen, gelang zum Wochenende
noch weiteren 400 die Flucht von Ungarn nach Österreich in die Freiheit.
Das Europa-Picknick unter der Schrimherrschaft des Präsidenten der
Paneuropäischen Union, Otto Habsburg, war seit Monaten vorbereitet
worden. Es fand in Sopronpuszta, einem kleinen Ort mit enem geschlossenen
Grenzübergang nach Österreich statt. Für diese Veranstaltung
mit Teilnehmern aus ganz Europa sollte das primitive Grenztor durch den
alten Stacheldrahtzaun symbolisch geöffnet werden, um den freien Grenzübergang
aller Europäer zu dokumentieren. Walburga Habsburg-Lothringen verlas
eine Grußadresse ihres Vaters Otto Habsburg, wietere Redner waren
der stellvertretende ungarische Minister Laszlo Vass und der steirische
Bundesrat Vinzenz Liechtenstein. In einer Deklaration wurde festgehalten,
jedes Jahr am ehemaligen Eisernen Vorhang ein solches Treffen abzuhalten.
Wie die in Ungarn auf Urlaub weilenden DDR-Bürger von dem Treffen
und der möglichen leichten Flucht erfahren haben, ist noch nicht ganz
klar. Angeblich kursierten unter ihnen Flugblätter über das Ereignis.
Etwa 500 DDR-Bürger mischten sich auf ungarischer Seite in das Festgewühl,
200 von ihnen rannten gegen 15.00 Uhr das symbolische Tor nieder und liefen
nach Österreich, wietere 300 folgten an dieser Stelle bis 18.00 Uhr.
Dann begannen die Ungarn bei der Zufahrt zum Festplatz und an der Grenze
wieder mit schärferen Kontrollen. Tielweise wiesen, die Ungarn den
DDR-Bürgern den Weg, in die Freiheit. In Österreich wurden die
Flüchtlinge freundlich empfangen, Einheimische steckten ihnen teilweise
Geld zu, österreichische Touristen brachten auf der Rückfahrt
vom Urlaub Flüchtlingsgepäck mit über die Grenze, Gendarmeriebeamte
brachten die Flüchtlinge in Omnibussen der bundesdeutschen Botschaft
zunächst nach St. Margarethen im Burgenland und versorgten die völlig
erschöpften Menschen. Die Flüchtlinge berichteten, teilweise
ihre Autos und anderes Hab und Gut in Ungarn zurückgelassen zu haben.
Viele erklärten, über das Europa-Picknick durch ein Flugblatt,
das unter den Ausreisewilligen vor der deutschen Botschaft in Budapest
verteilt worden war, erfahren zu haben. Die Freudenszenen in der Freiheit
setzten sich bis zum Wiener Westbahnhof fort. Ein Bahnbeamter malte auf
eine schwarze Tafel: "Sonderzug nach Giessen für Reisende aus
der DDR in die BRD über Passau/Frankfurt auf Gleis 5." Mit dem
Zehrgeld der Bonner botschaft in Wien in der Tasche stürmten die Menschen
den Proviant-Kiosk am Westbanhof. Viele konnten endlich wieder lachen.
Die DDR-Medien hatten bis Sonntag die Massenflucht verschwiegen. Weder
die Nachrichtenagentur ADN noch die Fersehnachrichtensendung "Aktuelle
Kamera" ging bis dahin auf das Ereignis ein.
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ISE, Sopron |